Dienstag, 14. Juli 2015

Eine Auswahl an Dingen



Heute sind es noch genau 28 Tage, dann muss ich wieder deutschen Boden betreten. Ja – muss. So kann sich die Haltung von „Ein Jahr wird schon irgendwie vergehen – das schaff ich schon.“ zu „Ich will hier eigentlich gerade gar nicht weg .“ ändern. (Was ich vermisse sind Freunde und Familie aber da helfen moderne Kommunikationsmittel sehr gut und Käse – aber den gönne ich mir dann ab und an im Restaurant.)

… die ich nachweislich nicht gebraucht habe:

Meine Reiseapotheke. Aus einem großen Angebot tatsächlich benutzt habe ich: Schmerztabletten, Wunddesinfektionsspray, Wundheilgel, Pflaster. Das hätte quasi fast ins Portemonnaie gepasst. Bei allen anderen Leiden bin ich auch hier zum Arzt gegangen und habe keine Selbstmedikation gestartet.

Wasseraufbereitungstropfen. Selbst im tiefsten Village kann man irgendwo Trinkwasser kaufen. Ich verfluche immer noch den Ehemaligen, der uns diese als „Tipp“ gegeben hatte (ein sehr teuer Fehlkauf).

So viel Sonnenschutzprodukte. Wirklich in der Sonne war ich eigentlich nur im Urlaub. Man setzt sich hier ja auch nicht mal eben gemütlich in der Innenstadt auf eine Bank in der Sonne..

Moskito-Abwehrmittel aller Art. Mein DEET-Spray habe ich die ersten 7 Tage benutzt und im Nationalpark. Meine moskitodichte Hose habe ich insgesamt wohl 21 Tage getragen – den Pullover wohl häufiger aber auch nur in Ermangelung an anderen langärmligen Kleidungsstücken. Meine Prophylaxe-Tabletten habe ich brav nur einen Monat geschluckt (auch da hätte ich meine Reiseapotheke entschlacken können).

… über die ich froh war, sie dabei gehabt zu haben:

Ausnahme zu oben – mein Moskitonetz. Das liebe ich sehr. Hätte ich nicht unbedingt von zu Hause mitnehmen müssen (gibt es hier ab 7€ zu kaufen) aber es ist auf jeden Fall gut, eines zu haben. Es hilft nicht nur gegen Mücken (und ggf. Malaria) sondern auch gegen Krabbeltiere aller Art (außer kleine Ameisen und Obstfliegen – die passen irgendwie durch die Maschen), Geckos, Mäuse (die können allerdings daran hoch krabbeln), Ratten und je nach Schlafplatz auch gegen von der Decke rieselnden Dreck. Gemütlich sieht es außerdem auch aus.

Meinen Klimbim. Wechsel des Kontinents heißt wohl doch nicht Wechsel des Geschmacks und der Persönlichkeit. Ich bin froh, ein wenig Make-up, Nagellack und Schmuck dabei gehabt zu haben – und diese Dinge haben sich hier auch irgendwie ein bisschen vermehrt.

Fotos. Mit den Liebsten an der Wand sieht jedes Zimmer gleich mehr nach zu Hause aus.

Dünne Regenjacke. Passt in jede noch so kleine Tasche, wiegt fast nichts, so dass man sie bei dem unberechenbaren Wetter immer dabei haben kann und sie hält auch mal Abends auf dem Boda den Wind ab.

Technik. Laptop (mit DVD Laufwerk!), Lautsprecher und Ipod. Auch in Uganda passiert nicht immer was oder man traut sich mal nicht raus weil man schon beim Gedanken an „Mzungu“-Rufe genervt ist - dann verbringt man manchmal Sonntage einfach auf der Couch mit einer guten Serie. Und natürlich das Smartphone. Dank Whatsapp, Skype und Co habe ich das Gefühl gar nicht wirklich weg zu sein – selbst Oma „appt“ - da kann eigentlich kein Heimweh aufkommen.

.. die ich wohl besser mitgenommen hätte:

Einen Föhn. Aber es gibt ja gut ausgestattete Mitbewohnerinnen.

Mehr Kleidung. Alles, was ich aus irgendwelchen triftigen Gründen zu Hause gelassen hatte, hätte hier doch viel Sinn gemacht. Kleidchen, in denen ich mich wohl fühle, die hier aber zu kurz wären (es gibt doch Leggins!). Blusen aus Kunstfasern – kann man nicht heiß waschen – Bakterien und so (man wäscht hier alles mit kaltem Wasser und aus Kunstfasern löst sich der Dreck so viel einfacher!). Dicke Sachen – ja tatsächlich verändert sich das Kälteempfinden mit der Zeit und Abends auf dem Boda hat es dann manchmal gefühlt (!) -10°C. Dunkle (schwarze) Socken – mit hellen macht man sich beim Waschen einfach nur unglücklich. Nun ja.. nun habe ich auf jeden Fall in die lokale Wirtschaft investiert (und auf den Secondhandmärkten oder im Greenshop wohl das eine oder andere „Kleiderspende“-Teil erworben).

Handtaschen. Ich habe (aus mir nicht mehr ersichtlichen Gründen) keine einzige Handtasche mitgenommen. Nur Jutebeutel - und die kann man sich nicht rutsch- und klausicher diagonal umhängen.

Taschentücher. Erkältet war ich hier ständig und die Taschentücher, die es hier zu kaufen gibt sind.. hm.. dünn.

… die ich sehr zu schätzen gelernt habe:

Wasser. Vor allem fließend Wasser (Händewaschen funktioniert sonst nur zu 2. so richtig gut, eine Klospülung heißt 10Liter Wasser tragen müssen..). Sauberes Leitungswasser – dass man, wenn man Abends weggeht vorher Wasser kaufen oder abkochen muss, mussten wir auch erst lernen, denn einfach so Nachts nach dem Clubbesuch ein Glas Leitungswasser trinken, ist leider nicht möglich.
Wasserkanister 5 bis 20 Liter

Unbegrenztes (bezahlbares) Internet. Youtube, Livestream und Podcast sind Fremdwörter geworden.

Zur „Mehrheit“ gehören. In Deutschland falle ich nicht auf und nicht raus. Sonntag Morgen mal fix „ungesehen“ zum Bäcker, joggen gehen und in Ruhe gelassen werden, früh völlig unbeachtet zur Arbeit laufen – alles kein Problem. Dieses in der Masse verschwinden, wenn man mal keine Menschen sehen mag – das vermisse ich sehr.

Freundschaft und Vertrauen. Zu Hause ist man, wo man sich zu Hause fühlt und das habe ich erst geschafft, als ich auch hier einige wenige gefunden hatte, denen ich vertrauen kann, auf die ich zählen kann und die mir auch an miesen Tagen ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Teilen. „It´s Africa. We share!“ Das ist tatsächlich viel selbstverständlicher für mich geworden und es fühlt sich sehr gut an. Nicht immer darüber nachdenken „das ist meins“ und sich ärgern, wenn man etwas nicht für sich alleine hat. Man hat am Ende seinen Pausensnack vielleicht nicht komplett essen können und ist nicht ganz satt, dafür haben sich die Kolleginnen so süß gefreut und man hat für den Rest der Pause gemeinsam geschnattert.


Ich könnte alle Kategorien beliebig lang fortführen. Wenn jemand noch Fragen hat: „Feel free! It´s Uganda!“.

Donnerstag, 25. Juni 2015

Dein Freund und Helfer – Achtung! Dieser Eintrag leidet unter Überlänge

(Die Raumnummern entsprechen nicht unbedingt der Wahrheit)

Meine Versicherung wollte gern einen Polizeibericht, um an meinem Fall arbeiten zu können. Na gut – ich dachte ich kann das vielleicht umgehen – zur Polizei geht hier niemand gern. Also fragte ich Freunde und Kollegen, wie ich denn nun am besten vorgehe.. einfach zu einer beliebigen Polizeistation gehen und meinen Fall erklären. Okay.. klingt gut. Naja auf der Station in unserem Viertel wurde mir dann gesagt, dass ich ins Hauptbüro in der Innenstadt muss. Auch gut.. Nachdem ich es mit meiner Ausweiskopie fast nicht herein geschafft hätte (oh sie scheinen wirklich Wert auf Sicherheit zu legen), wurde meine Tasche dann nicht kontrolliert und ich trotz aufgeregtem Piepsen des Detektors einfach durchgewunken (vielleicht doch nicht so wichtig) und ich konnte da vorstellig werden. Für einen Bericht musst du zunächst in Raum 4!
„Guten Tag, folgendes wurde mir gestohlen.. ich bräuchte einen Bericht für meine Versicherung.. ja im Dezember – ja das ist eine Weile her.“
Der Angestellte musterte mich und teilte mir mit, dass das an sich kein Problem wäre nur ist er ja schon soo müde. Ich saß also in einer Ecke in Raum 4. Den korpulenten Angestellten neben und einen sehr großen, sehr ramponierten Schreibtisch vor mir. Über eine Stunde wandte er sich also immer mal wieder mir zu, ließ mich wissen, dass er nicht viel Lust hatte, meine Daten aufzunehmen und ja so müde wäre. Geld könnte helfen. Aha. Ich hatte mich schon gewundert, an welcher Stelle ich denn mit Korruption und Schmiergeldern in Berührung kommen würde.. 20.000 (7€) wechselten also den Besitzer und anschließend ging alles fast reibungslos. Nein quatsch. Natürlich nicht – aber zumindest setzte sich überhaupt irgendetwas in Bewegung.
Ja – ich kann den Aufschrei hören. Warum ich ihm denn überhaupt etwas gezahlt habe? Ich hätte ja zu einem anderen gehen können? Korruption unterstützt man nicht. Ja ich weiß aber die Kommunikation der anderen Angestellten im Raum und die Blicke der Beamten auf dem Gang machten ziemlich deutlich, dass ich nicht wirklich eine Wahl hatte..
Der gute Mann nahm also meine Personalien auf, wunderte sich bestimmt 10 mal über meinen Namen, war ganz aufgeregt, dass ich da arbeite wo er wohnt, ein bisschen enttäuscht von meinem Alter – war ihm dann wohl doch ein wenig jung zum Heiraten und machte sich mehrmals darüber lustig, dass ich meine Handynummer nicht auswendig weiß. Damit haben wir dann auch nochmal über 30 Minuten zugebracht und dann endlich, nur knapp zwei Stunden nachdem ich Raum 4 betreten hatte, nahm er die Details zu meinem Fall auf. Was wann wo und wie gestohlen. Wert? Zeugen? Täterbeschreibung?
All diese Informationen hielt er auf einem etwas mitgenommen aussehenden A4 Blatt recht unleserlich fest. Dann schrieb er in einer anderen Kuli-farbe das Ganze nochmal auf ein anderes Blatt – wobei schlichtes Abschreiben zu einfach gewesen wäre – er musste sich erneut über meine Unfähigkeit meine Nummer ansagen zu können lustig machen und sich über sehr sehr viele Dinge wundern. Mit diesen beiden Blättern war es nicht getan, er kramte ein drittes aus einer Schublade und begann den ganzen Tatvorgang erneut abzuschreiben. Diesmal aus der Ich-Perspektive. Mit vielen blumigen Ausdrücken und Beschreibungen, die ich so eigentlich nie angegeben hatte. Trotzdem musste ich dann da so meine Unterschrift drunter setzen – im Großen und Ganzen waren ja auch alle Fakten (nur halt noch mehr) eingeflossen. Ich dachte mir. Aha. Jetzt setzt er einen Stempel drunter und ich kann gehen. Weit gefehlt. Diese Formulare (meine Deutschlehrerin hätte es wohl als „Wurstblätter“ bezeichnet) würde er nun an Raum 46 weiterleiten. Da könnte ich mir im Laufe der nächsten Tage meinen Bericht abholen. In Ordnung. Vielen Dank!
Tag 2 – „Kann ich Ihren Vorgangsschein sehen?“ Klar. „Oh – das ist noch nicht in Bearbeitung – wir haben so viel zu tun. Kommen sie morgen nochmal wieder.“
Tag 3 – zurück in Raum 46. „Kann ich ihren Vorgangschein sehen?“ Klar. „Oh – da müssen Sie in Raum 26.“ Hallo, ich soll mich hier melden – hier mein Schein. Der Beamte warf einen kurzen Blick auf mein Kärtchen, durchsuchte mehrere Stapel auf seinem Schreibtisch und förderte dann auch tatsächlich meine 3 Blätter zu Tage. „Und was genau wollen Sie?“ Einen Polizeibericht! „Ja da müssen Sie aber erst die Bearbeitungsgebühr zahlen. Das Formblatt dafür wird in Raum 18 ausgehändigt.“ Dort musste ich mich nochmal vorstellen und erklären um mich dann mit dem Formblatt ins Gedränge der Innenstadt zu begeben, um eine ganz bestimmte Bankfiliale zu suchen. Gefunden - 63.000 (21€) zahlen. Mit der Quittung durch die Menschenmassen zurück zur Polizei kämpfen. In Raum 18 diese Quittung gegen eine andere eintauschen – 30 Minuten.
Der Polizeibeamte hier war aber wenigstens nett, höflich und sah mich nicht wie ein fremdes Objekt an. Es würde ihm sehr leid tun, was mir passiert wäre – ich solle doch jetzt bitte sein Land deswegen nicht verurteilen. Es gäbe auch liebe Menschen. Mit der Quittung zurück zu dem Beamten in Raum 26. Auch diesem musste ich alles erneut erzählen obwohl er die Details einfach von einem der anderen Blätter übernehmen hätte können. Auch er fertigte wieder eine handschriftliche A4 Seite an – mit minimalen Formulierungsunterschieden. Dafür brauchte er auch wieder fast eine Stunde – unterbrochen von Aussagen wie „Bring me to Germany!“ „You get me a Visa!“ „You can´t give a Visa? You´re bad!“.
Inzwischen - fast 4 Stunden nachdem ich mich in Raum 46 gemeldet hatte - schien es endlich soweit zu sein. Er band alle 4 Blätter mit einem Wollfaden zusammen und („you come!“) wir machten uns auf den Weg zum „Boss“ - Raum 41. Dieser sah nicht einmal von seinem Laptop auf, als ihm „mein“ Beamter die Unterlagen zeigte und ihm kurz den Fall umriss.. Ja er solle nun halt zur Sekretärin gehen und das ins Reine tippen lassen. Oh – das hörte sich gut an – ich hatte mir schon Gedanken gemacht, wie wohl meine Versicherung diese Schrift entziffern sollte. Also zur Sekretärin in Raum 59 – sie suchte sich routiniert aus den Blätter alle wichtigen Informationen zusammen und hatte innerhalb von 15 Minuten einen Report getippt, von mir Korrektur lesen lassen und ausgedruckt. Jetzt nur noch eine Unterschrift vom Boss und die Odyssee würde ihr Ende und ich meinen Polizeibericht haben. Der Boss hatte sich allerdings auf unbestimmte Zeit in die Mittagspause verabschiedet – komm doch bitte am Montag wieder!
Tag 4 - Ich kam also wieder – musste ja nur den fertigen Bericht abholen. Dass es nicht in 5 Minuten getan sein würde war mir schon klar, aber dass ich erneut 1,5 Stunden auf dem Polizeirevier verbringen musste – damit hatte ich nicht gerechnet.
Ich kam optimistisch in Raum 26 an. Mein zuständiger Beamter war natürlich nicht anwesend. „Call him!“ - der Ratschlag seiner Kollegin. (Seine Privatnummer an Kunden/Klienten/Patienten heraus zu geben ist hier sehr üblich.) Ich rief ihn also an, konnte ihm irgendwann begreiflich machen, wer ich sei und er erklärte mir, er sei gerade nicht im Büro. Ja. Danke. Das sehe ich. Ich möchte bitte nur meinen Bericht abholen. Würde auf dem Schreibtisch liegen – ein Kollege soll mir den einfach geben. Aufgelegt. Habe die Anweisung also an seine Kollegin weiter gegeben. Die wollte nicht suchen: „Call him!“. Ja und dann? Können Sie vielleicht mit ihm reden? Konnte sie, vertelefonierte mein ganzes Guthaben und das Ende vom Lied war, dass er gefälligst ins Büro (Raum 26) zu kommen hatte. Also hieß es warten. Und dann kam er, suchte und … fand nichts. Hm – dann muss der wohl noch oben beim „Boss“ sein – du kannst dir den Bericht da abholen. Ich also hoch in Raum 41. Hallo ich würde gern meinen Bericht abholen. Kurze Musterung, Kramen auf seinem Schreibtisch und dann hielt er doch tatsächlich meinen Bericht in den Händen. Juhuu! Aber oh-oh – sein Gesichtsausdruck gefiel mir gar nicht. „Wer hat dich hier her geschickt?“ Ehm.. der Beamte aus Raum 26?! „You bring him here!“ Okay – ich also wieder runter in die 26, meinem Beamten erklärt, dass der Boss ihn gern auch oben hätte, mit ihm zusammen wieder nach oben. Es stellte sich heraus, dass dem Boss die Währung Euro nicht so geläufig war. Das konnte also schnell bereinigt werden (mein Beamter war allerdings sichtlich genervt, dass er dafür (!) zwei Treppen steigen musste), der Boss unterschrieb endlich (ich dachte ja in meinem jugendlichen Leichtsinn, das wäre Freitag schon geschehen), mein Beamter musste sich noch irgendwo einen offiziellen Stempel suchen, ich wartete derweil wieder unten in Raum 26 und dann endlich öffnete sich die Tür und mein wertvolles, allerdings bereits jetzt schon ein wenig lädiert aussehendes A4-Blatt wurde mir ausgehändigt. Ich bedankte und verabschiedete mich, was gekonnt ignoriert wurde (erwartete er ein Trinkgeld?) und verließ endlich auf vorerst immer das Polizeipräsidium.

Donnerstag, 18. Juni 2015

Und was machst du eigentlich außer Reisen? TEIL II – die Freizeit


Meine Freizeit hier.. die sieht grundsätzlich gar nicht so anders aus, als in Deutschland.
Ich gehe zweimal die Woche zu einem Tanzkurs “African Contemporary” und sporadisch zu Salsa und Yoga. Dabei kompensiere ich durch ersteren allerdings eher meinen akuten Bewegungsmangel, denn einfach mal früh joggen gehen ist hier leider nicht machbar. Warum? Wenn ich joggen gehe, dann möchte ich neben meiner Musik im Ohr und der möglichst hübschen Umgebung, durch die ich laufe, nichts wahrnehmen. Hier schreien einem aber gefühlt 100 Kinder vom Straßenrand „Mzungu! Bye Mzungu!“ hinterher, Männer erkennen in einem „my future wife!“ und Frauen lachen darüber, was die Weiße da schon wieder treibt. So laut kann man wohl leider seine Musik nicht stellen und sollte es auch nicht, da man einen Großteil der Aufmerksamkeit bei dem etwas unberechenbaren Verkehr haben sollte. Neben diesen Dingen, die man vielleicht mit viel Nervenstärke noch ignorieren könnte, ergeben sich noch Hindernisse wie sehr schlechte Straßen, keine Fußwege, Einatmen von Staub, Abgasen, Müllverbrennung und klimabedingt ist Laufen nur sehr früh oder sehr spät möglich (beides Uhrzeiten, wenn ich nicht unbedingt allein durch die Gegend laufen muss). Ich könnte natürlich in ein etwas besseres Viertel von Kampala fahren, da fallen viele dieser Probleme weg, aber dafür fehlt mir dann doch der Antrieb.. Also bleibt sporttechnisch mein Tanzkurs (der auch echt super anstrengend ist), ab und an mal andere Kurse, Schwimmen und … Tanzen im Club.
Ja – na klar gehen wir hier am Wochenende auch weg. Ich betreibe das nicht so exzessiv wie andere (wenn man wollte, könnte man sich wohl 7 Tage die Woche hier ins Nachtleben stürzen – die Angebote sind da) aber ab und an mal mit den Freunden durch die manchmal sommerlich warmen, manchmal herbstlich kühlen Nächte tanzen - das ist schon schön. Ich persönlich bin ein bisschen pingelig, was das „wo“ betrifft, weil ich auch nach fast 9 Monaten mit dem Tanzstil des einen oder anderen Uganders nicht so entspannt umgehen kann – meinen Raum brauche (da fallen für mich viele „local-clubs“, also mit geringem Weißenanteil, raus), mir nicht jede Musikmischung zusagt und ich auch möglichst nicht zu weit von zu Hause sein möchte (Nachts wird es schon kalt auf dem Boda – da wird die Fahrt mit jedem km unangenehmer).. Ich habe also jetzt nicht den besten Einblick in Kampalas Weggeh-Szene bekommen aber trotzdem wird wohl die Umstellung zurück zu deutschen Tanzflächen mit Wehmut begleitet sein.

"Uncle Walters African Contemporary Dance Class"

Durchs Tanzen und die da entstandenen Bekannt- und Freundschaften nehme ich in letzter Zeit ziemlich viel aus Kampalas Kulturszene mit. Tanzshows, Auftritte von Bands, Schauspiel, Kurzfilmpräsentationen, Workshops zu verschiedenen Themen, Festivals..


Ansonsten genieße ich es, mit einem Buch einen richtig guten Kaffee trinken zu gehen, zu Hause zu kochen (macht mit dem günstigen und frischen Gemüse einfach mehr Spaß als wenn man bei RE** einkaufen muss), es sich an einem verregneten Sonntag mit Film oder Serie gemütlich zu machen, durch Stoffläden zu stöbern, mit Deutschland zu kommunizieren und mich mit Freunden zu treffen (andere Freiwillige, Kollegen, junge Menschen aus der „Künstlerszene“ und Menschen bei denen ich mir gar nicht mehr so sicher bin, wie diese in mein Leben getreten sind).

Und dann gibt es natürlich noch die unangenehmen Freizeitfüller: Wäsche waschen (obwohl ich zumindest meine Bettwäsche inzwischen waschen lasse – diese wird bei mir einfach nicht richtig sauber, dafür setzte ich unser Bad unter Wasser und meine Hände sind die darauffolgende Woche wund), Wohnung putzen, Bewerbung an Universitäten, Versicherungsformulare ausfüllen..


Und ab und an werde ich eingeladen. Zu Kollegen nach Hause (da wird dann, wenn ich mich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln endlich hingefunden habe, gemeinsam gekocht, Spazieren gegangen, die Familie kennen gelernt) oder zu traditionellen Festen (ich war zum Beispiel im April auf einer „Introduction“ - das ist die ugandische Verlobungsfeier, im Mai auf einer Taufe und von vielen anderen Festivitäten hatte ich schon berichtet).
im Kofferraum auf dem Weg zur Introduction (das Kleid nennt sich Gomez und ist das traditionelle festliche Kleidungsstück für Frauen - wickelt sich ähnlich einem Sari und die Schultern müssen eigentlich "stehen")

die zukünftige Braut
auf dem Weg zur Taufe in Luweero
"local brew" - alkoholisches Getränk, Zutaten variieren - die etwas ungewohnte Erscheinung und der sehr gewöhnungsbedürftige Geschmack dafür nicht wirklich

Mittwoch, 10. Juni 2015

Update “Die Arbeit” - von Fruchtblasen, Wärmelampen und Lungenentzündung



Pro Monat kommen im Lubaga Hospital (275 Betten) durchschnittlich 450 Kinder zur Welt. Zum Vergleich: in der Dresdner Uni-Klinik (1295 Betten) sind es knapp 200.

Meinen April habe ich also auf der Entbindungsstation verbracht. Zunächst zwei Wochen in der Aufnahme, Vorbereitung und Nachsorge und anschließend 14 Tage direkt im Kreißsaal.

Mein Tagesablauf in der Anmeldung sah dabei meist folgendermaßen aus: Putzen der Station (alles außer Böden und Fenster), Mitarbeit am Anmeldetresen (Patienten aufnehmen – Basiskosten 100.000UGX also ca. 35€, Messungen durchführen, Daten erfragen, Urinproben auf Proteine testen und Zuschauen beim Kanülen legen, Blut abnehmen, der vaginalen - und der Bauch-Untersuchung), Teilnahme an den Visiten (Untersuchung Öffnung des Muttermundes bei Schwangeren, Nachuntersuchungen bei frisch entbundenen Müttern und bei Kaiserschnitt-Patientinnen), Medikamentenrunden mitlaufen und nochmals Mitarbeit am Anmeldetresen. Wie auf bisher jeder Station brauchte ich auch diesmal ungefähr drei Tage um mich in die Abläufe einzuarbeiten und über eine Woche um im Kollegium akzeptiert zu werden. Nach dem eher kühleren Umgang im OP war ich sehr froh, dass hier wieder mehrere sehr liebe Hebammen und Krankenschwestern arbeiteten, die mich an die Hand nahmen und bemüht waren, mir Situationen zumindest kurz auf Englisch zu erläutern.
In diesen ersten Wochen habe ich sehr viele Grundlagen lernen und ausführen dürfen und andere Abläufe wurden mir ausführlich erklärt und gezeigt:
Wie legt man eine Kanüle, welche Venen sind geeignet, welche Medikamente werden darüber gegeben und wie reinigt man den Zugang
Die venöse Blutabnahme
Die Verlegung eines Patienten und damit einhergehend der Umgang mit dem Rollstuhl – auf dieser Station also Hochschwangere von der Anmeldung zu ihrem Bett oder direkt in den Kreißsaal (nur bei vollständiger Öffnung des Muttermundes) oder den OP (Risikoschwangerschaften, oft Mehrlingsgeburten, kritischer Zustand der Mutter, gebuchte Ops), frisch entbundene Mütter vom Kreißsaal zu ihrem Bett und Mütter und Babies an Tag 2 auf eine andere Nachsorgestation
Der Blasenkatheter (bei Kaiserschnitten – bei natürlichen Geburten ist der Druck auf den Katether beim Pressen zu hoch und würde Komplikationen hervorrufen habe ich gelernt)
Injektion und Punktion
Eine Infusionen vorbereiten, wechseln und überwachen
Die OP-Vorbereitung: Kanüle legen und entsprechende Medikamente geben, Infusion, Patienten Kleidung und Schmuck durch OP „Kleidung“ und OP-Haube ersetzen (meist muss man dabei auch noch die kunstvoll zusammengenähten Breads (geflochtene Zöpfe) mit einer Rasierklinge oder Schere auseinander schneiden) , Rasieren
Als ich endlich eine Routine in meiner Arbeit in der Aufnahme gefunden hatte hieß es dann aber schon wieder „wechseln!“ - aufgeregt und glücklich betrat ich also den Kreißsaal und wurde erst einmal unsanft wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Nachdem ich mich vorgestellt hatte, warum ich hier bin, was ich bereits gemacht habe und was ich darf und was nicht wurde ich einmal mit einem abschätzigen Blick bedacht: „du bist also keine Hebamme? Krankenschwester?... ah-ha!“. Also ein eher nicht so motivierender Start. Das Verhältnis zu den Hebammen wurde auch in den darauffolgenden zwei Wochen nicht besser, aber ich konnte mich davon überzeugen, dass es nicht an mir persönlich lag, denn ihr Umgang untereinander und vor allem auch gegenüber den Müttern war nicht unbedingt herzlicher. Was mich neben meinem Interesse davon abgehalten hat frühzeitig zu wechseln war eine einzige Kollegin. Sie hatte ihre Ausbildung in Südafrika absolvieren können, sprach perfekt Englisch und fand es gut, dass ich hier versuchte einen Einblick zu bekommen bevor ich mein Studium antrete. Ich hielt mich also vor allem an sie und konnte so dann doch noch recht viel lernen. Vor allem wohl den Umgang mit Ausscheidungen.. aber bevor ich hier ins Detail gehe, möchte ich euch eine Lagebeschreibung geben. Ich kannte den Kreißsaal als solchen bis dato nur aus TV-Serien und Filmen. Da gibt es geringfügige Unterschiede – je nach Drehort, aber im Großen und Ganzen sieht es meist folgendermaßen aus: ein großer Raum mit angenehmen Licht, eine Entbindungsliege, 2 bis 5 Mitarbeiter stehen um die Gebärende herum, davon meist ein Arzt, die Frau hängt an diversen Geräten, die konstant die Werte der Mutter und des Kindes messen – oft sieht man auch eine Sauerstoffmaske, mindestens ein Familienmitglied oder Freund ist anwesend und hält der Frau die Hand.. ich denke ihr habt das Bild vor Augen? Nun ich muss ehrlich zugeben, dass ich noch in keinem deutschen Krankenhaus im Kreißsaal stand, aber denke doch, dass dieser wohl eher an beschriebenes Bild heran kommt als an den Kreißsaal, in dem ich zwei Wochen mitarbeiten durfte. Es gibt zwei Kreißsäle im Lubaga Hospital. Nr. 1 hat 5 Liegen, Nr. 2 hat 3 Liegen. Diese sind voneinander mit Stoffvorhängen getrennt. Bis zum Boden reichen diese nicht und sie schließen auch nicht unbedingt vollständig. Zum Teil stehen die Liegen dabei so dicht aneinander, dass sich die Gebärenden an den Händen halten könnten. Neben der Liege steht ein Hocker für die zuständige Hebamme, ein Eimer für Urin und Erbrochenes und ein Eimer für infektiösen Müll (blutige Watte zum Beispiel). Angehörige sind im Kreißsaal verboten und auch Aussagen über den Zustand oder den Fortschritt der Frau werden eigentlich nicht gemacht. In Raum Nr. 1 befindet sich außerdem gleichzeitig der Platz um die Neugeborenen erstzuversorgen und ein kleiner Tisch für die Hebammen – an diesem wird manchmal auch Mittag gegessen – quasi neben dem Knie der Gebärenden auf der ersten Liege. Die Hebammen kochen den Frauen Tee, wenn diese alles dafür nötige mitgebracht haben. Sie müssen außerdem den Einmal-Matratzenschutz (2*), Handschuhe und Watte selbst mitbringen. Vom Krankenhaus gibt es ein Laken und das Patienten-Hemd. Nun stehen auch nicht die ganze Geburt lang 2 bis 5 Mitarbeiter unmittelbar zur Verfügung, sondern nur in regelmäßigen Abständen kommt eine Hebamme, um die Werte der Mutter zu kontrollieren und dokumentieren. Die Hebamme bleibt erst konstant an der Liege, wenn die Frau in der dritten Phase der Geburt ist (beginnend wenn das Köpfchen auf dem Beckenboden angekommen ist) und bleibt bis zum Ende der vierten Phase (Nachgeburt, Nähen, Säubern, Anziehen). Das Baby wird erstversorgt und kommt danach entweder in die Neugeborenen-Intensiv-Pflege oder wartet unter einer Wärmelampe darauf, mit seiner Mama gemeinsam zu ihrem Bett und der Familie gebracht zu werden.
Als ich das erste Mal bei einer Geburt dabei war, habe ich leider den entscheidenden Schritt verpasst, da mir, als das halbe Köpfchen draußen war, dann doch sehr schummerig wurde und ich mich erst einmal an die frische Luft begeben musste (ich dachte eigentlich nach meinen Erfahrungen im OP kann mich so schnell nichts mehr aus der Fassung bringen.. aber im Kreißsaal wird man doch noch einmal mit anderen Bildern und Gerüchen konfrontiert). Als ich wieder klar sehen konnte lag das kleine Wunder schon flauschig eingepackt unter der Wärmelampe und die Frau wurde bereits genäht. Da aber bei 8 Liegen (die auch fast alle immer belegt sind) eigentlich immer gerade eine der Schwangeren in Phase 3 ist, dauerte es nur 20 Minuten und ich konnte es erneut versuchen. Als die Hebamme der Mutter ihre Tochter auf die Brust legte, hatte ich dann doch zwei, drei Tränchen in den Augen. Ich durfte die Kleine wickeln und anziehen, nachdem eine Hebamme das Baby untersucht und sich um die Nabelschnur gekümmert hatte. Auch afrikanische Babys sind im übrigen am Anfang sehr, sehr hell. Nicht so weiß wie ich gewesen sein dürfte aber so „weiß“, wie ich momentan bin.
Meine Aufgaben? Aufräumen, Putzen, desinfizieren, mit Ausscheidungen umgehen (Frauen das Haar halten) und Liegen vorbereiten. „Natürliches Schmerzmanagement“ (den Frauen in ihren Wehen den Rücken massieren). Mithilfe bei der Erstversorgung der Neugeborenen und ggf. Verlegung des Babys auf die Neugeborenen-Intensiv-Station (+Report geben). Patientinnen verlegen. Mit Schülern gemeinsam die Werte der Frauen messen und dokumentieren (Highlight, vor allem was die Schwierigkeitsstufe anbelangt: Herztöne des Babys mit einem Hörrohr aus Holz hören). Hebammen in der dritten Phase der Geburt unterstützen indem Instrumente zugereicht werden.

Anschließend gab es einige organisatorische Probleme, was meinen Wechsel zur nächsten Station ein wenig verzögerte. In der Zeit arbeitete ich abwechselnd erneut im Public Health Departement und im Büro mit, um trotzdem weiterhin etwas zu tun zu haben.

Doch dann war es einmal wieder so weit und ich wurde in St. Bosco, der allgemeinmedizinischen Kinderstation, vorgestellt. Neben dieser gibt es noch die chirurgische Kinderstation, die Neugeborenen-Intensiv-Station und eine Tagesklinik mit Kinderärzten. Hier traf ich wieder auf nette Mitarbeiter und Schüler – sehr gut! St. Bosco hat 6 Zimmer, davon eines für Quarantänefälle und insgesamt 32 Betten. Es werden Kinder im Alter von 6 Wochen bis ungefähr 12 Jahren behandelt (aber der Wunsch besteht ein Zimmer mit größeren Betten auszustatten und so auch Jugendliche aufnehmen zu können). Es gibt einen Raum mit großen Waschbecken, damit Babybadewannen darin Platz finden, aber die Mütter nutzen ihn auch zum Wäsche waschen, einen Duschraum und Toiletten für die Mütter und die größeren Kinder, ein Vorratsraum, ein Desinfektionsraum und eine Art offenes Schwesternzimmer wo auch venöse Zugänge gelegt und Medikamente gegeben werden. 8.00 bis 9.00 Station putzen, organisieren und auffüllen, anschließend werden die Schüler und ich an verschiedene Ausgabestellen im Krankenhaus geschickt, um neue Materialien, Instrumente und Medikamente zu holen und gegen 10 Uhr startet dann meist die Visite. Diese habe ich bisher mit vier verschiedenen Kinderärzten erlebt, aber leider spricht nun eine Ärztin Englisch mit uns (Schüler, eine Krankenschwester, ich), die anderen sprechen durchgängig Luganda (und ich muss mich darauf beschränken die Akte zu lesen). Mit ihr macht es dafür aber richtig Spaß, denn sie nutzt die Visiten, um die Schüler abzufragen und zu unterrichten und macht dabei zwischen den Schülern und mir keinen Unterschied. Das hat zur Folge, dass ich mich wirklich Nachmittags zu Hause hinsetze und Symptome und Behandlung von Kinderkrankheiten lerne – und vor allem die dazu gehörenden englischen Vokabeln. Kinderkrankheiten.. naja nun nicht unbedingt in dem Sinne, sondern eher die Krankheiten, von denen Kinder hier am häufigsten betroffen sind: wässriger Durchfall mit Dehydration, Malaria, Lungenentzündung. In geringerer Zahl außerdem: Meningitis, Blutarmut, Asthma, Typhus, Tetanus, Säuglingssepsis, Unterzuckerung und Unterernährung.
Nach der Visite kommen die Mütter (oder die verantwortliche Person) mit ihren Kindern nacheinander zu dem offenen Schwesternzimmer und die kleinen Patienten bekommen ihre Medikamente über den venösen Zugang (oder dieser wird gelegt), wenn nötig wird Blut für Untersuchungen abgenommen und Probenbecher werden ausgegeben. Anschließend können dort einzelne Kinder inhalieren und eine Krankenschwester oder Schüler gehen von Zimmer zu Zimmer und geben Medikamente aus, die geschluckt werden müssen. Danach geschieht nicht mehr viel. Infusionen kontrollieren, Register führen und Dokumentationstabellen ausfüllen, manchmal Neuaufnahmen, vereinzelt Medikamente geben und dann ist meine Arbeitszeit auch schon vorbei.
Die Mütter (oder die verantwortliche Person) schlafen auf dem Boden neben den Patientenbetten. Die meisten bringen sich dafür nur eine Art Bastmatte mit, wenn sich abzeichnet, dass das Kind länger bleiben muss, auch richtige Matratzen (das habe ich allerdings bisher noch nicht gesehen). Essen wird nicht vom Krankenhaus bereit gestellt, aber während der Visiten wird den Müttern erklärt, was sie ihrem Kind geben sollte und was nicht – kaufen müssen sie es dann selbst irgendwo. ORS (Oral Rehydration Solution – Glukose-Salz-Lösung) steht aber immer in einem Kanister vor dem Schwesternzimmer zur Verfügung.

Anmerkung: Ich verwette weiterhin nicht meine letzte Tube deutsches Tomatenmark dafür, dass die Angaben in diesem Blogeintrag richtig sind.

Samstag, 18. April 2015

Und was machst du eigentlich außer Reisen? TEIL I - die Arbeit

(Anmerkung: ich berichte unter anderem über klinische Abläufe/medizinische Begriffe und gebe diese so wieder, wie ich sie beobachtet bzw. erklärt bekommen habe und erhebe daher weder ein Recht auf Vollständig- noch Richtigkeit. DIES BERUHT NICHT AUF FACHLITERATUR! Falls ihr eine Anmerkung zu einem der Sachverhalte habt, lasst es mich wissen. Danke)

Also ich gehe beispielsweise Montag bis Freitag Tag arbeiten und bringe euch diesbezüglich auch endlich einmal wieder auf den neusten Stand. Ich habe euch von meinen Erfahrungen bei der Immunisierung, im Outreach-programm und in der HIV/AIDS Klinik berichtet. In den darauffolgenden Wochen durfte ich noch einen Einblick in die PMTCT-Clinic und in die Antenatal-Clinik bekommen. In der Tuberkulose-Klinik habe ich aufgrund des Ansteckungsrisikos nicht gearbeitet und auch im Natural Family Planning habe ich nicht mitgearbeitet, da die Beratungsgespräche dort meist vollständig auf Luganda geführt werden.
Ja aber was ist eine PMTCT-Clinic? PMTCT bedeutet Prevention of Mother to Child Transmission also der Schutz des ungeborenen Kindes, von der Mutter das HI-Virus übertragen zu bekommen. Dieser Schutz gilt für Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit. Jede Schwangere, die in der Antenatal-Clinic (Schwangerschaftsvoruntersuchungen) aufgenommen wird, „muss“ sich einem HIV-Test unterziehen. Natürlich darf keine Patientin dazu gezwungen werden, aber die enorme Wichtigkeit für Mutter und Kind und auch für das betreuende Gesundheitspersonal werden deutlich gemacht und ich habe keinen Fall miterlebt, in dem sich die Patientin dem Test verweigert hätte. Was allerdings selten geschieht ist, dass der Hinweis, den Partner auch zu einem Test zu bewegen, in die Tat umgesetzt wird. Werdende Väter sieht man insgesamt eher wenige. Das kann ganz verschiedene Gründe haben: der Mann arbeitet, er möchte nicht mitkommen oder sie möchte nicht, dass er mitkommt. Zum Teil wissen die Väter gar nicht, dass ihre Frau zu Voruntersuchungen geht (ein Kind ist nur Sache der Eltern). Aber auch von der Seite des Krankenhauses werden die Väter nur so viel als nötig involviert, manchmal sogar belächelt, wenn sie interessiert sind. Das finde ich sehr schade, habe aber die Hoffnung, dass sich dies parallel zum steigenden Interesse auf der Seite der (jungen) Väter ändern wird. Aber zurück zum Thema.. Wenn also eine schwangere Patientin HIV-positiv ist, dann wird sie zur PMTCT-clinic überwiesen. Dort wird die werdende Mutter über HIV und AIDS aufgeklärt, darüber, inwieweit das Risiko besteht, das Virus ihrem Kind zu übertragen und wie diesem Risiko entgegengewirkt werden kann. Die Mütter werden medikamentös richtig eingestellt (sogenannte ARTs – das ist eine Kombination aus mindestens drei verschiedenen ARVs - diese Medikamente hindern das HI-Virus daran, sich zu vervielfältigen ), so dass sich die Viruskonzentration und somit das Übertragungsrisiko verringert), die Neugeborenen erhalten eine HIV-Postexpositionsprophylaxe (das ist eine kurzfristige antiretrovirale Behandlung, um die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion nach potentieller Exposition zu verhindern) und direkt nach der Geburt, nach 6 Monaten und nach einem Jahr werden die Babys auf HIV getestet. Entgegen meiner Erwartung wird den Müttern in der PMTCT-Beratung weder von einer natürlichen Geburt noch vom Stillen abgeraten. Und es funktioniert. Ich habe in meiner Zeit dort, die Register vor mir liegen gehabt und es wurde nur schätzungsweise jedes 100. Kind infiziert. Die Arbeit in dieser Abteilung war sehr spannend und ging mir oft sehr nahe. Die Dankbarkeit von so mancher Mutter gegenüber den Krankenschwestern, wenn das endgültige Ergebnis ihres Kindes “negativ” lautet, ist schlicht überwältigend. Ich habe in meiner Zeit dort Patientenakten und -register geführt, HIV-Tests (Finger-Pricktest) bei Babys durchgeführt, Medikamente ausgegeben und sehr viele Gespräche mit meiner Kollegin über verschiedene Krankenhausabläufe geführt (Müssen die Frauen mehr für einen Kaiserschnitt bezahlen? Warum zahlt niemand für Milchpulver, wenn eine HIV-positive Mutter das Risiko des Stillens nicht eingehen möchte? Welche Labortests werden hier gemacht, welche werden in das Zentrallabor geschickt?)
Nach zwei Monaten im Public Health Departement (PHD) kannte ich dann auch nahezu alle Kollegen in dieser Abteilung und als ich Ende Februar meinen Geburtstag feierte, wurde ich von allen Seiten ganz herzlich umarmt und mit Gottes Segen überhäuft.
Dieser Tag war auch zugleich mein letzter Arbeitstag im PHD – im März würde ich im OP arbeiten. Auch diesem zweiten Wechsel, nachdem ich im Dezember schon das Büro verlassen hatte, blickte ich wieder mit gemischten Gefühlen entgegen. Wusste ich schließlich bereits durch das Rotieren innerhalb des Public Health Departements, dass es immer wieder nicht ganz einfach ist, sich in ein neues Kollegium einzuarbeiten und zu beweisen, dass man auch nur ein Mensch ist, durchaus ganz nett und höflich und dazu fähig ist, zu arbeiten. Denn leider haben auch meine liebsten Kollegen zum Teil die absurdesten Vorurteile über Weiße. Wir sind nicht in der Lage, „Local Food“ zu essen, benutzen für alles Maschinen und haben nicht versiegende Geldquellen. Das ist manchmal sehr anstrengend, aber auf Arbeit gibt es wenigstens den Rahmen, sich zu erklären und ins Gespräch zu kommen (wozu man sich an dem einen oder anderen Tag überwinden und selbst in den Hintern treten muss) und am Ende es ist schön, zu sehen, wie sich Skepsis in Akzeptanz und Interesse wandelt.

04. März 2015: 1. Tag im OP. Aufregung. „Richtige Medizin“. Ich wurde aber gottseidank ganz gut an die Hand genommen. Vor dem OP Eingang wartete der deutsche Chirurg auf mich und erklärte mir, wo ich mich umziehen könnte, wo Mundschutz und OP-Haube zu finden sind. Und schon stand ich im OP und zwischen all den Mitarbeitern: eine Weiße! Elena war auch gerade im OP. Das war auch einmal ganz schön: zu zweit irgendwo sein. Sie ist ja bereits ausgebildete Krankenschwester und konnte mir dadurch vieles erklären und wir konnten gemeinsam nach Übersetzungen suchen. Und vor allem konnte sie mir vor meinem ersten Gang in den OP beistehen und mich beruhigen, dass es völlig normal ist, dass einem am Anfang (vor allem durch das lange Stehen und das ungewohnte Atmen durch den Mundschutz) ein wenig schummerig wird. Ist dann auch so gewesen, ich bin kurz raus und danach und auch die darauffolgenden Wochen war dann aber alles schick.
Ich bin standfest geblieben und konnte so bei wirklich vielen verschiedenen, super interessanten Operationen zusehen: vom Kaiserschnitt über eine Eigenhauttransplantation, ein Teratom am Eierstock oder eine Implantation nach einer Oberschenkelfraktur bis hin zur Korrektur einen Leistenhodens bei einem 1jährigen Jungen..
Ich glaube das Teratom hat mich am nachhaltigsten beeindruckt. Das ist ein oft organähnliches Geschwür, das sich aus primitiven, pluripotenten Stammzellen entwickelt. Die „reife“ (gutartige) Form kann Gewebe wie Haare, ganze Zähne, Schweißdrüsen, Haut oder Ansätze von Organen wie einer Niere enthalten. Um ein solches Teratom handelte es sich in dem oben genannten Fall. Dass es sich am Eierstock befand ist dabei durchaus üblich. Die reifen Teratome erscheinen immer als zystischer Hohlraum, gefüllt mit gelbem, talgartigem Material, durchmischt mit Haaren. „Unreife“ (bösartige) Formen entstehen meist am Hoden. Besagte Patientin war ins Krankenhaus gekommen, weil sie die letzten 10 Jahre keine Monatsblutung bekommen hatte und die operierende Ärztin hofft, dass diese nach der Entfernung des Teratoms wieder einsetzen wird. Wen es interessiert und wem noch nicht übel geworden ist – einfach einmal googeln. Da findet man sehr aussagekräftige Bilder (ich besitze ein eigenes Foto von „meinem“ Teratom).
Und was habe ich gemacht, außer total dankbar und sehr aufgeregt zu sein, dass ich bei all dem dabei sein durfte? Ich habe geputzt, mit vorbereitet, Geräte und Materialien aufgefüllt, war mit in der Sterilisatiosstation, habe als „Springer“ in kleinem Umfang assistieren/zureichen und vor und nach der OP zählen dürfen, habe nach den Operationen gereinigt, die Patienten in den Aufwachraum verlegt und vor allem einfach versucht, so viel wie möglich mit den Mitarbeiten zu sprechen (Was sind das für Geräte? Warum genau dieser Ablauf? Wie entsteht so etwas?). Der herzliche Umgang, der mir bisher immer auf den Stationen entgegengebracht wurde, fehlte mir hier etwas, aber die interessante Arbeit hat das wieder wett gemacht und am 01.04.15 hieß er ja dann auch schon wieder wechseln.


Diesen Monat bin in auf der Entbindungsstation. Zunächst zwei Wochen in der Aufnahme und Vorbereitung und dann noch zwei Wochen direkt im Kreißsaal bzw. im dortigen OP für Kaiserschnitte. Bericht folgt.


Ich bin insgesamt begeistert von den Erfahrungen, die ich machen darf, ich freue mich, dass ich inzwischen so viele Kollegen im ganzen Krankenhaus kenne und dass nach mir gefragt wird.. aber manchmal zweifel ich auch ein wenig. Ist dies wirklich ein Austausch? Sind Geben und Nehmen gleichwertig? Wirklich etwas bewegen, helfen und einbringen konnte ich eigentlich nur zu Beginn im Büro. Auf den Stationen laufe ich mit, lerne und bin an der einen oder anderen Stelle bestimmt auch mehr eine Belastung als eine Hilfe. Jedoch hat mich dies bisher niemand spüren lassen und die Tatsache, dass man früh freundlich und freudig begrüßt wird und Gespräche zu den verschiedensten Themen zu Stande kommen, zeigen mir dann wieder, dass das Ganze doch einen Sinn macht. Vielleicht nicht unbedingt, dass ich direkt mein Projekt „voranbringe“, sondern eher, dass sich beispielsweise auf kleinen persönlichen Ebenen Meinungen bilden und ändern oder dass dem nächsten weißen Mitarbeiter eventuell von Anfang an ein wenig mehr Toleranz entgegengebracht wird. Wo oder bei wem ich schlussendlich wirklich etwas angerührt habe, werde ich vermutlich nie erfahren, aber ich hoffe einfach, dass es nicht Niemand sein wird und werde auch im letzten Drittel offen für Situationen und Menschen bleiben.

Montag, 16. März 2015

Urlaub auf Balkonien

Nachdem ich nun schon mehr von Tansania, Ruanda und Kenia als von Uganda gesehen habe, beschloss ich, dass es an der Zeit sei, Urlaub zu Hause zu machen. Nun.. besser gesagt ergriff ich die Chance, dass Iselins Mama gerade hier ist und natürlich mehr vom Land als nur Kampala sehen will. Man kennt das ja: da kommt Besuch und berichtet einem, was für interessante Museen man doch in seiner Stadt hätte. Achja?!
Wir wollten nun aber keine Ausstellungen ansehen, sondern lieber testen, wie viel an der Aussage, Uganda sei die Perle Afrikas, dran ist. Für diese Untersuchung fuhren wir zunächst letztes Wochenende nach Jinja. Dieses Städtchen liegt 80km östlich von Kampala am Nil und am Viktoriasee und an der Stelle, wo Fluss und See zusammenstoßen, befindet sich eine der Nilquellen. Diese war unser Ziel. 6 Stunden in einem Matatu über holprige Straßen, in Jinja zwei Bodas zum Hostel unserer Wahl gesucht und... nein nicht schon da.
Unsere Bodafahrer waren nämlich mit den drei "Backpacker Hostels", die sich nur minimal namentlich unterscheiden, genauso überfordert wie wir. Was sie allerdings nie zugegeben hätten. "Ja natürlich wissen wir, wo das ist." Als wir dann schon ein gutes Viertelstündchen unterwegs und von einem Inder farbtechnisch dank der staubigen Wege nicht mehr zu unterscheiden waren, bat ich meinen Bodafahrer, eventuell doch noch einmal jemanden nach dem Weg zu fragen. Und tatsächlich: wir waren auf dem Weg ins falsche Hostel. Also umgedreht, noch eine Schicht "Puder" und in das richtige Backpackers. Ins "Jinja Backpackers on the Nile" sollte es gehen. Aufregung. Wo ist der Nil? Wo bitteschön ist der Nil? Enttäuschung. Das haben uns die Bodafahrer wohl auch angesehen "es ist immer noch nicht das richtige, oder?" Also Versuch Nummer drei und dann waren wir auch schon, nach nur einer Stunde Suchen, da. Gelohnt hat es sich auf jeden Fall. Das Hostel liegt wirklich DIREKT am Nil und so gab es das Abendessen für uns AUF dem Nil.

Am nächsten Tag ein ausgiebiges Frauentagsfrühstück und anschließend eine Bootsfahrt zur Quelle des Nils. Einfach schön da. Ruhig. Sauber. Vogelgezwitscher.

Müssen wir denn wirklich zurück nach Kampala? Hier ist´s so schön. Aber die Arbeit ruft.. Große Freude, als wir wieder zu Hause ankamen: mal wieder bzw. immer noch kein Wasser. Wir haben nun schon seit 2 Wochen eigentlich kein Wasser mehr. Unsere Straße wird gerade wirklich zur Straße (ehemals todesgefährliche Holperpiste) und dabei wurde wohl unsere Wasserzuleitung verletzt. Das Resulat: wir müssen ca. 10 Minuten fußwegig entfernt Wasser in 20 Liter Kanistern holen. Macht jetzt nicht soo viel Spaß und vor allem ein WC stresst einen unter diesen Umständen arg. Auch Handwäsche und das täglich nötige Bodenwischen werden so nicht zu meinen Lieblingsfreizeitbeschäftigungen. Und weil das so gar nicht schön ist, sind wir dieses Wochenende direkt wieder geflüchtet. Diesmal in den Norden Ugandas.

Murchison Falls National Park
Auch dahin fährt man ungefähr 6 Stunden obwohl wir diesmal 330km zurücklegen mussten (Stau, Straßenbeschaffenheit und Art des Fahrzeugs wirken sich hier enorm auf die "Entfernung" eines Ziels aus). Wir wurden direkt zu Hause abgeholt und auch am Sonntag wieder vor unserer Haustür abgesetzt. Die Reisegruppe bestand nur aus uns dreien. Sehr angenehm. Den Guide und gleichzeitig Fahrer kannten Iselin und ich schon und so konnten wir sehr entspannte, quasi familiäre drei Tage verbringen. Speißen und Getränke, Unterkunft, Eintrittsgelder, Fahrten,.. alles inklusive. Entspannen - aber bitte die Kamera griffbereit halten.

Freitag Früh ging es 7:30 zu Hause los und gegen 2 konnten wir schon im Park Mittag essen. Danach brachen wir zu einem ersten kurzen Game Drive auf und... es ist einfach atemberaubend. Giraffen, Elefanten, Warzenschweine, Antilopen - die spazieren alle ganz ganz dicht an einem vorbei.
Am Samstag mussten wir schon kurz vor 7 an der Nilfähre sein und für die nächsten 4 Stunden fuhren wir erneut auf Fotojagd.. Die Sonne ging derweil hinter den Akazien auf, die Giraffen schritten elegant am Horizont entlang und eine Warzenschweinmama trieb ihre Jüngsten eilig über die Straße zur nächsten Wasserquelle.

Nachmittags stand dann noch eine Bootsfahrt auf dem Programm. Auf dem Nil bis zu den Murchison Falls. Hippos, Elefanten, Krokodile und viele viele Vögel. Als ich auf dem Boot an Stand und in die untergehende Sonne schaute, während Nilpferdbabies vor uns im Wasser plantschten, hätte ich die Sache mit der "Pearl of Africa" dann doch direkt unterzeichnet. Hallo Freiheit.

Sonntag sind wir dann abschließend noch direkt an die Wasserfälle "gewandert" (die Wahrheit sah leider schweißtreibender aus: im Militärtempo gefühlte tausend Treppenstufen hinauf.. und das ohne Frühstück) - ein zauberhafter letzter Programmpunkt. Und als es dann danacvh doch etwas zu essen gab war wohl jeder von uns rundherum und absolut glück. Danke für die gute Organisation!