Samstag, 18. April 2015

Und was machst du eigentlich außer Reisen? TEIL I - die Arbeit

(Anmerkung: ich berichte unter anderem über klinische Abläufe/medizinische Begriffe und gebe diese so wieder, wie ich sie beobachtet bzw. erklärt bekommen habe und erhebe daher weder ein Recht auf Vollständig- noch Richtigkeit. DIES BERUHT NICHT AUF FACHLITERATUR! Falls ihr eine Anmerkung zu einem der Sachverhalte habt, lasst es mich wissen. Danke)

Also ich gehe beispielsweise Montag bis Freitag Tag arbeiten und bringe euch diesbezüglich auch endlich einmal wieder auf den neusten Stand. Ich habe euch von meinen Erfahrungen bei der Immunisierung, im Outreach-programm und in der HIV/AIDS Klinik berichtet. In den darauffolgenden Wochen durfte ich noch einen Einblick in die PMTCT-Clinic und in die Antenatal-Clinik bekommen. In der Tuberkulose-Klinik habe ich aufgrund des Ansteckungsrisikos nicht gearbeitet und auch im Natural Family Planning habe ich nicht mitgearbeitet, da die Beratungsgespräche dort meist vollständig auf Luganda geführt werden.
Ja aber was ist eine PMTCT-Clinic? PMTCT bedeutet Prevention of Mother to Child Transmission also der Schutz des ungeborenen Kindes, von der Mutter das HI-Virus übertragen zu bekommen. Dieser Schutz gilt für Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit. Jede Schwangere, die in der Antenatal-Clinic (Schwangerschaftsvoruntersuchungen) aufgenommen wird, „muss“ sich einem HIV-Test unterziehen. Natürlich darf keine Patientin dazu gezwungen werden, aber die enorme Wichtigkeit für Mutter und Kind und auch für das betreuende Gesundheitspersonal werden deutlich gemacht und ich habe keinen Fall miterlebt, in dem sich die Patientin dem Test verweigert hätte. Was allerdings selten geschieht ist, dass der Hinweis, den Partner auch zu einem Test zu bewegen, in die Tat umgesetzt wird. Werdende Väter sieht man insgesamt eher wenige. Das kann ganz verschiedene Gründe haben: der Mann arbeitet, er möchte nicht mitkommen oder sie möchte nicht, dass er mitkommt. Zum Teil wissen die Väter gar nicht, dass ihre Frau zu Voruntersuchungen geht (ein Kind ist nur Sache der Eltern). Aber auch von der Seite des Krankenhauses werden die Väter nur so viel als nötig involviert, manchmal sogar belächelt, wenn sie interessiert sind. Das finde ich sehr schade, habe aber die Hoffnung, dass sich dies parallel zum steigenden Interesse auf der Seite der (jungen) Väter ändern wird. Aber zurück zum Thema.. Wenn also eine schwangere Patientin HIV-positiv ist, dann wird sie zur PMTCT-clinic überwiesen. Dort wird die werdende Mutter über HIV und AIDS aufgeklärt, darüber, inwieweit das Risiko besteht, das Virus ihrem Kind zu übertragen und wie diesem Risiko entgegengewirkt werden kann. Die Mütter werden medikamentös richtig eingestellt (sogenannte ARTs – das ist eine Kombination aus mindestens drei verschiedenen ARVs - diese Medikamente hindern das HI-Virus daran, sich zu vervielfältigen ), so dass sich die Viruskonzentration und somit das Übertragungsrisiko verringert), die Neugeborenen erhalten eine HIV-Postexpositionsprophylaxe (das ist eine kurzfristige antiretrovirale Behandlung, um die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion nach potentieller Exposition zu verhindern) und direkt nach der Geburt, nach 6 Monaten und nach einem Jahr werden die Babys auf HIV getestet. Entgegen meiner Erwartung wird den Müttern in der PMTCT-Beratung weder von einer natürlichen Geburt noch vom Stillen abgeraten. Und es funktioniert. Ich habe in meiner Zeit dort, die Register vor mir liegen gehabt und es wurde nur schätzungsweise jedes 100. Kind infiziert. Die Arbeit in dieser Abteilung war sehr spannend und ging mir oft sehr nahe. Die Dankbarkeit von so mancher Mutter gegenüber den Krankenschwestern, wenn das endgültige Ergebnis ihres Kindes “negativ” lautet, ist schlicht überwältigend. Ich habe in meiner Zeit dort Patientenakten und -register geführt, HIV-Tests (Finger-Pricktest) bei Babys durchgeführt, Medikamente ausgegeben und sehr viele Gespräche mit meiner Kollegin über verschiedene Krankenhausabläufe geführt (Müssen die Frauen mehr für einen Kaiserschnitt bezahlen? Warum zahlt niemand für Milchpulver, wenn eine HIV-positive Mutter das Risiko des Stillens nicht eingehen möchte? Welche Labortests werden hier gemacht, welche werden in das Zentrallabor geschickt?)
Nach zwei Monaten im Public Health Departement (PHD) kannte ich dann auch nahezu alle Kollegen in dieser Abteilung und als ich Ende Februar meinen Geburtstag feierte, wurde ich von allen Seiten ganz herzlich umarmt und mit Gottes Segen überhäuft.
Dieser Tag war auch zugleich mein letzter Arbeitstag im PHD – im März würde ich im OP arbeiten. Auch diesem zweiten Wechsel, nachdem ich im Dezember schon das Büro verlassen hatte, blickte ich wieder mit gemischten Gefühlen entgegen. Wusste ich schließlich bereits durch das Rotieren innerhalb des Public Health Departements, dass es immer wieder nicht ganz einfach ist, sich in ein neues Kollegium einzuarbeiten und zu beweisen, dass man auch nur ein Mensch ist, durchaus ganz nett und höflich und dazu fähig ist, zu arbeiten. Denn leider haben auch meine liebsten Kollegen zum Teil die absurdesten Vorurteile über Weiße. Wir sind nicht in der Lage, „Local Food“ zu essen, benutzen für alles Maschinen und haben nicht versiegende Geldquellen. Das ist manchmal sehr anstrengend, aber auf Arbeit gibt es wenigstens den Rahmen, sich zu erklären und ins Gespräch zu kommen (wozu man sich an dem einen oder anderen Tag überwinden und selbst in den Hintern treten muss) und am Ende es ist schön, zu sehen, wie sich Skepsis in Akzeptanz und Interesse wandelt.

04. März 2015: 1. Tag im OP. Aufregung. „Richtige Medizin“. Ich wurde aber gottseidank ganz gut an die Hand genommen. Vor dem OP Eingang wartete der deutsche Chirurg auf mich und erklärte mir, wo ich mich umziehen könnte, wo Mundschutz und OP-Haube zu finden sind. Und schon stand ich im OP und zwischen all den Mitarbeitern: eine Weiße! Elena war auch gerade im OP. Das war auch einmal ganz schön: zu zweit irgendwo sein. Sie ist ja bereits ausgebildete Krankenschwester und konnte mir dadurch vieles erklären und wir konnten gemeinsam nach Übersetzungen suchen. Und vor allem konnte sie mir vor meinem ersten Gang in den OP beistehen und mich beruhigen, dass es völlig normal ist, dass einem am Anfang (vor allem durch das lange Stehen und das ungewohnte Atmen durch den Mundschutz) ein wenig schummerig wird. Ist dann auch so gewesen, ich bin kurz raus und danach und auch die darauffolgenden Wochen war dann aber alles schick.
Ich bin standfest geblieben und konnte so bei wirklich vielen verschiedenen, super interessanten Operationen zusehen: vom Kaiserschnitt über eine Eigenhauttransplantation, ein Teratom am Eierstock oder eine Implantation nach einer Oberschenkelfraktur bis hin zur Korrektur einen Leistenhodens bei einem 1jährigen Jungen..
Ich glaube das Teratom hat mich am nachhaltigsten beeindruckt. Das ist ein oft organähnliches Geschwür, das sich aus primitiven, pluripotenten Stammzellen entwickelt. Die „reife“ (gutartige) Form kann Gewebe wie Haare, ganze Zähne, Schweißdrüsen, Haut oder Ansätze von Organen wie einer Niere enthalten. Um ein solches Teratom handelte es sich in dem oben genannten Fall. Dass es sich am Eierstock befand ist dabei durchaus üblich. Die reifen Teratome erscheinen immer als zystischer Hohlraum, gefüllt mit gelbem, talgartigem Material, durchmischt mit Haaren. „Unreife“ (bösartige) Formen entstehen meist am Hoden. Besagte Patientin war ins Krankenhaus gekommen, weil sie die letzten 10 Jahre keine Monatsblutung bekommen hatte und die operierende Ärztin hofft, dass diese nach der Entfernung des Teratoms wieder einsetzen wird. Wen es interessiert und wem noch nicht übel geworden ist – einfach einmal googeln. Da findet man sehr aussagekräftige Bilder (ich besitze ein eigenes Foto von „meinem“ Teratom).
Und was habe ich gemacht, außer total dankbar und sehr aufgeregt zu sein, dass ich bei all dem dabei sein durfte? Ich habe geputzt, mit vorbereitet, Geräte und Materialien aufgefüllt, war mit in der Sterilisatiosstation, habe als „Springer“ in kleinem Umfang assistieren/zureichen und vor und nach der OP zählen dürfen, habe nach den Operationen gereinigt, die Patienten in den Aufwachraum verlegt und vor allem einfach versucht, so viel wie möglich mit den Mitarbeiten zu sprechen (Was sind das für Geräte? Warum genau dieser Ablauf? Wie entsteht so etwas?). Der herzliche Umgang, der mir bisher immer auf den Stationen entgegengebracht wurde, fehlte mir hier etwas, aber die interessante Arbeit hat das wieder wett gemacht und am 01.04.15 hieß er ja dann auch schon wieder wechseln.


Diesen Monat bin in auf der Entbindungsstation. Zunächst zwei Wochen in der Aufnahme und Vorbereitung und dann noch zwei Wochen direkt im Kreißsaal bzw. im dortigen OP für Kaiserschnitte. Bericht folgt.


Ich bin insgesamt begeistert von den Erfahrungen, die ich machen darf, ich freue mich, dass ich inzwischen so viele Kollegen im ganzen Krankenhaus kenne und dass nach mir gefragt wird.. aber manchmal zweifel ich auch ein wenig. Ist dies wirklich ein Austausch? Sind Geben und Nehmen gleichwertig? Wirklich etwas bewegen, helfen und einbringen konnte ich eigentlich nur zu Beginn im Büro. Auf den Stationen laufe ich mit, lerne und bin an der einen oder anderen Stelle bestimmt auch mehr eine Belastung als eine Hilfe. Jedoch hat mich dies bisher niemand spüren lassen und die Tatsache, dass man früh freundlich und freudig begrüßt wird und Gespräche zu den verschiedensten Themen zu Stande kommen, zeigen mir dann wieder, dass das Ganze doch einen Sinn macht. Vielleicht nicht unbedingt, dass ich direkt mein Projekt „voranbringe“, sondern eher, dass sich beispielsweise auf kleinen persönlichen Ebenen Meinungen bilden und ändern oder dass dem nächsten weißen Mitarbeiter eventuell von Anfang an ein wenig mehr Toleranz entgegengebracht wird. Wo oder bei wem ich schlussendlich wirklich etwas angerührt habe, werde ich vermutlich nie erfahren, aber ich hoffe einfach, dass es nicht Niemand sein wird und werde auch im letzten Drittel offen für Situationen und Menschen bleiben.