Sonntag, 15. Februar 2015

Ostafrika Teil I - “Ihr werdet euch wie zu Hause fühlen!”


Nach den weihnachtlichen Festtagen haben Iselin und ich uns unseren ersten Urlaub gegönnt. Am Samstag, 27.12.2014, klingelten um 5 unsere Wecker, damit wir um 7 am Busterminal in der Innenstadt sind. Da sollten wir dann unsere Quittungen in ein Ticket tauschen und „boarden“ - Abfahrt: 8.00. Soweit die Theorie. In der Praxis war zunächst noch das Büro geschlossen, dann fühlte sich niemand für die Tickets verantwortlich. Halb Acht saßen wir dann dennoch im Bus bereit zur Abfahrt. So saßen wir wohl 2 Stunden und reell verließ der Bus um 10.00 den Parkplatz in Kampala Down Town. Wir hatten zwei Plätze ganz vorn neben dem Fahrer „ergattert“ - wegen der tollen Aussicht, der Beinfreiheit und weil wir uns diese Sitzbank nicht mit 2 bis 5 weiteren Menschen teilen mussten. Blöde Idee, wie sich bereits nach 10 Minuten Fahrt herausstellte. Das, was der Fahrer da trieb (Essen, Trinken, Telefonieren, SMS schreiben, sich umdrehen und mit seinem Kumpel quatschen), bzw. nicht trieb (auf die Straße gucken, Bremsen, in den Kurven auf der eigenen Fahrspur bleiben) wollte ich eigentlich gar nicht wissen – davon, dass ich den Gegenverkehr sehen konnte ganz zu schweigen. Die sechs Stunden Fahrt verbrachte ich also entweder mit krampfhaft geschlossenen oder weit aufgerissenen Augen. Da gab es dann auch nach gerade einmal einer Stunde Fahrt direkt etwas zu sehen: Auffahrunfall. Ein Matatu und zwei PKWs kamen nicht so aneinander vorbei, wie sie wollten, wir hatten bei der ganzen Sache das Matatu in der Stoßstange kleben – direkt vor unserer Nase sozusagen. Iselin durfte eine Aussage machen, aber da auch noch andere Passagiere etwas sagen wollten, Menschen, die in der letzten Reihe saßen, Menschen, die vorher geschlafen hatten, dauerte die ganze Sache etwas länger. Nach nur 60 Minuten durften wir dann aber schon weiter fahren – die Fahrzeuge, die den Unfall verursacht hatten, waren schon längst weg.
Gegen 17:00 (statt 14:00) erreichten wir dann unser Zwischenziel: Kabale – West-Uganda. Ach ja – ich habe euch ja noch gar nicht verraten, wo denn die Reise hingeht. Wir wollen zum Lake Bunyonyi und danach weiter nach Ruanda. In Kabale hoben wir also Geld ab und haben etwas gegessen um dann, bevor es dunkel wird, um 18:00 zwei Bodas zu unserem Hostel zu nehmen. Nach ca. 20 Minuten Fahrt durch eine traumhafte Landschaft – Berge, Wiesen, Felder, „Urwald“ und natürlich dem See – immer schön bergauf (der Trick ist, mit dem Hintern auf dem Boda weit nach hinten zu rutschen, um sich dann mit dem Oberkörper nach vorne zu lehnen, mit der einen Hand die Handtasche mit der teuren Kamera festzuhalten und mit der anderen sich selbst am Boda hinter/unter dem Rucksack) erreichten wir glücklich Lake Bunyonyi Gorilla Packers. Ein Zimmer mit direktem Blick auf den See – und mit heißer Dusche. Warmes Wasser von oben – das gab es ja schon seit 4 Monaten nicht mehr! Duschen, in mehrere Kleidungsschichten einpacken (in dem Teil Ugandas wird es Nachts unglaublich kalt – geschätzt 15°C) und ins Bett. Die nächsten zwei-einhalb Tage verbrachten wir schwimmend (auch das erste Mal seit Ausreise), Kajak fahrend, sonnend, lesend und mit einer Inseltour, auf die uns eine amerikanische Familie mitgenommen hat, die schon seit einigen Jahren in Kampala lebt und auch in unserem Hostel gebucht hatte. Traumhaft war es da!

Inseltour - "Punishment Island", da wurden schwangere, unverheiratete Frauen ausgesetzt
Blick auf den See

Dienstag Mittag dann zurück nach Kabale, von da aus mit einem Taxi zur ruandischen Grenze, Einreise, Weiterfahrt nach Kigali, der Hauptstadt Ruandas. Erwartungen hatten wir auf dieser Fahrt viele, hatten uns doch alle von Ruanda vorgeschwärmt: der westliche Standard, die Ordnung, die Sicherheit: „Ihr werdet euch wie zu Hause fühlen!“. Das, was wir vom Taxi aus sehen konnten entsprach dem eher nicht. Sah auch aus, wie in Uganda. Ja, die Straße war viel besser, als wir es gewohnt sind und es gab sogar Straßenschilder und Zebrastreifen – an diese Regeln wurde sich aber auch nur partiell gehalten – aber die Häuser am Straßenrand, die kleinen Grocery Stores, die Menschen... auch Ruanda ist halt Ostafrika. In Kigali selbst das gleiche Bild: organisierter und weniger überfüllt als Kampala und es gibt überall Bürgersteige und vor allem im Botschaftsviertel sehen die Straßen top aus, aber die Geschäfte sind die gleichen, die Händler.. Wie zu Hause habe ich mich nicht gefühlt. Doch tendenziell stimmt es schon – man hätte durchaus auch in einem südlichen europäischen Land sein können – aber Deutschland sieht anders aus. Die markantesten Unterschiede zwischen Kigali und Kampala? Bodafahrer müssen einen Helm für ihre Fahrgäste mitnehmen (Helmpflicht für alle) und tragen Westen mit ihrer Registrierungsnummer. Es gibt Ampeln (mit Zeitanzeige!), Verkehrsschilder, Zebrastreifen, Gehwege, Straßenlaternen.. Mit der Englischen Sprache muss man nicht unbedingt weiterkommen – Ruanda war eine französische Kolonie – aber das Bildungssystem wurde vor ein paar Jahren auf Englisch umgestellt. Man sieht auf den Straßen kaum Kinder und kaum schwangere Frauen, dafür scheint Rauchen in der Öffentlichkeit akzeptierter, als schön scheint auch eher dünn zu gelten.
0788
Am zweiten Abend war dann auch schon Silvester – ja, was soll ich sagen? So wenig jahreswechselmäßig habe ich mich noch nie gefühlt. Die Straßen, durch die wir gelaufen sind, waren wie leer gefegt, in den Bars war kaum etwas los, es gab kein Feuerwerk.. Mir wurde nur noch einmal sehr deutlich bewusst, dass schon mehr als 1/3 meiner Zeit hier, hinter mir liegt und dass nun, da 2015 ist, auch das Thema Studium wieder Priorität bekommen muss. Also ein sehr ruhiger Jahreswechsel für mich in Ruanda, der viel Raum zum Nachdenken gegeben hat. Gute Vorsätze? Unsere Wohnung weiter einrichten, mehr Sport machen und meinen Blog wieder regelmäßiger zu pflegen.
Wie sah sonst so unser Urlaub aus? Wir haben in Kigali das Genozid Museum und 30km außerhalb eine der Kirchen, in der immer noch Leichname auf ihr Begräbnis warten und die blutigen Kleidungsstücke der Opfer unangetastet zu sehen sind, besucht. Das war beides sehr berührend und das mulmige Gefühl, bei dem Gedanken daran, dass das alles noch gar nicht lange her ist, konnte ich auch den Rest des Tages nicht mehr abschütteln – anschließend in dem Bewusstsein durch die Straßen zu laufen, dass nahezu jeder, der mir begegnet, diese grausige Zeit selbst miterlebt hat, war eine sehr sehr seltsame Erfahrung.
Die restlichen Tage haben wir uns noch einige schöne Viertel angesehen, Künstlerhäuser besucht und sind an einen See gefahren wo wir dann zum ersten Mal ganz dicht vor einem „Crane“, dem Nationalvogel Ugandas (der, der auch auf der Flagge zu sehen ist), standen. Da muss man ins Nachbarland fahren um den eigenen Nationalvogel zu sehen..
Sonntag Abend ging es dann mit dem Nachtbus zurück nach Kampala. Dieses Mal mit einem etwas besseren Busunternehmen – verstellbare Sitze, Registrierung der Passagiere und des Gepäcks, pünktliche Abfahrt, kurze Toilettenpausen.. Von 7 Uhr Abends bis 5 Uhr am Montag Morgen waren wir also wieder unterwegs und ich war selbst von mir überrascht, wie froh ich war, wieder „zu Hause“ zu sein. Kampala, diese Stadt, die mich oft genug in den Wahnsinn treibt, habe ich dann doch sehr vermisst – den Trubel, meine Plätze und Geschäfte, meine Freunde und Kollegen und vor allem das Gefühl, sich auszukennen. Das war glaube ich mit das schönste an dieser Reise: Heimweh nach Uganda zu erleben und dadurch zu merken, dass man wirklich, wirklich angekommen ist.

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