Donnerstag, 25. Juni 2015

Dein Freund und Helfer – Achtung! Dieser Eintrag leidet unter Überlänge

(Die Raumnummern entsprechen nicht unbedingt der Wahrheit)

Meine Versicherung wollte gern einen Polizeibericht, um an meinem Fall arbeiten zu können. Na gut – ich dachte ich kann das vielleicht umgehen – zur Polizei geht hier niemand gern. Also fragte ich Freunde und Kollegen, wie ich denn nun am besten vorgehe.. einfach zu einer beliebigen Polizeistation gehen und meinen Fall erklären. Okay.. klingt gut. Naja auf der Station in unserem Viertel wurde mir dann gesagt, dass ich ins Hauptbüro in der Innenstadt muss. Auch gut.. Nachdem ich es mit meiner Ausweiskopie fast nicht herein geschafft hätte (oh sie scheinen wirklich Wert auf Sicherheit zu legen), wurde meine Tasche dann nicht kontrolliert und ich trotz aufgeregtem Piepsen des Detektors einfach durchgewunken (vielleicht doch nicht so wichtig) und ich konnte da vorstellig werden. Für einen Bericht musst du zunächst in Raum 4!
„Guten Tag, folgendes wurde mir gestohlen.. ich bräuchte einen Bericht für meine Versicherung.. ja im Dezember – ja das ist eine Weile her.“
Der Angestellte musterte mich und teilte mir mit, dass das an sich kein Problem wäre nur ist er ja schon soo müde. Ich saß also in einer Ecke in Raum 4. Den korpulenten Angestellten neben und einen sehr großen, sehr ramponierten Schreibtisch vor mir. Über eine Stunde wandte er sich also immer mal wieder mir zu, ließ mich wissen, dass er nicht viel Lust hatte, meine Daten aufzunehmen und ja so müde wäre. Geld könnte helfen. Aha. Ich hatte mich schon gewundert, an welcher Stelle ich denn mit Korruption und Schmiergeldern in Berührung kommen würde.. 20.000 (7€) wechselten also den Besitzer und anschließend ging alles fast reibungslos. Nein quatsch. Natürlich nicht – aber zumindest setzte sich überhaupt irgendetwas in Bewegung.
Ja – ich kann den Aufschrei hören. Warum ich ihm denn überhaupt etwas gezahlt habe? Ich hätte ja zu einem anderen gehen können? Korruption unterstützt man nicht. Ja ich weiß aber die Kommunikation der anderen Angestellten im Raum und die Blicke der Beamten auf dem Gang machten ziemlich deutlich, dass ich nicht wirklich eine Wahl hatte..
Der gute Mann nahm also meine Personalien auf, wunderte sich bestimmt 10 mal über meinen Namen, war ganz aufgeregt, dass ich da arbeite wo er wohnt, ein bisschen enttäuscht von meinem Alter – war ihm dann wohl doch ein wenig jung zum Heiraten und machte sich mehrmals darüber lustig, dass ich meine Handynummer nicht auswendig weiß. Damit haben wir dann auch nochmal über 30 Minuten zugebracht und dann endlich, nur knapp zwei Stunden nachdem ich Raum 4 betreten hatte, nahm er die Details zu meinem Fall auf. Was wann wo und wie gestohlen. Wert? Zeugen? Täterbeschreibung?
All diese Informationen hielt er auf einem etwas mitgenommen aussehenden A4 Blatt recht unleserlich fest. Dann schrieb er in einer anderen Kuli-farbe das Ganze nochmal auf ein anderes Blatt – wobei schlichtes Abschreiben zu einfach gewesen wäre – er musste sich erneut über meine Unfähigkeit meine Nummer ansagen zu können lustig machen und sich über sehr sehr viele Dinge wundern. Mit diesen beiden Blättern war es nicht getan, er kramte ein drittes aus einer Schublade und begann den ganzen Tatvorgang erneut abzuschreiben. Diesmal aus der Ich-Perspektive. Mit vielen blumigen Ausdrücken und Beschreibungen, die ich so eigentlich nie angegeben hatte. Trotzdem musste ich dann da so meine Unterschrift drunter setzen – im Großen und Ganzen waren ja auch alle Fakten (nur halt noch mehr) eingeflossen. Ich dachte mir. Aha. Jetzt setzt er einen Stempel drunter und ich kann gehen. Weit gefehlt. Diese Formulare (meine Deutschlehrerin hätte es wohl als „Wurstblätter“ bezeichnet) würde er nun an Raum 46 weiterleiten. Da könnte ich mir im Laufe der nächsten Tage meinen Bericht abholen. In Ordnung. Vielen Dank!
Tag 2 – „Kann ich Ihren Vorgangsschein sehen?“ Klar. „Oh – das ist noch nicht in Bearbeitung – wir haben so viel zu tun. Kommen sie morgen nochmal wieder.“
Tag 3 – zurück in Raum 46. „Kann ich ihren Vorgangschein sehen?“ Klar. „Oh – da müssen Sie in Raum 26.“ Hallo, ich soll mich hier melden – hier mein Schein. Der Beamte warf einen kurzen Blick auf mein Kärtchen, durchsuchte mehrere Stapel auf seinem Schreibtisch und förderte dann auch tatsächlich meine 3 Blätter zu Tage. „Und was genau wollen Sie?“ Einen Polizeibericht! „Ja da müssen Sie aber erst die Bearbeitungsgebühr zahlen. Das Formblatt dafür wird in Raum 18 ausgehändigt.“ Dort musste ich mich nochmal vorstellen und erklären um mich dann mit dem Formblatt ins Gedränge der Innenstadt zu begeben, um eine ganz bestimmte Bankfiliale zu suchen. Gefunden - 63.000 (21€) zahlen. Mit der Quittung durch die Menschenmassen zurück zur Polizei kämpfen. In Raum 18 diese Quittung gegen eine andere eintauschen – 30 Minuten.
Der Polizeibeamte hier war aber wenigstens nett, höflich und sah mich nicht wie ein fremdes Objekt an. Es würde ihm sehr leid tun, was mir passiert wäre – ich solle doch jetzt bitte sein Land deswegen nicht verurteilen. Es gäbe auch liebe Menschen. Mit der Quittung zurück zu dem Beamten in Raum 26. Auch diesem musste ich alles erneut erzählen obwohl er die Details einfach von einem der anderen Blätter übernehmen hätte können. Auch er fertigte wieder eine handschriftliche A4 Seite an – mit minimalen Formulierungsunterschieden. Dafür brauchte er auch wieder fast eine Stunde – unterbrochen von Aussagen wie „Bring me to Germany!“ „You get me a Visa!“ „You can´t give a Visa? You´re bad!“.
Inzwischen - fast 4 Stunden nachdem ich mich in Raum 46 gemeldet hatte - schien es endlich soweit zu sein. Er band alle 4 Blätter mit einem Wollfaden zusammen und („you come!“) wir machten uns auf den Weg zum „Boss“ - Raum 41. Dieser sah nicht einmal von seinem Laptop auf, als ihm „mein“ Beamter die Unterlagen zeigte und ihm kurz den Fall umriss.. Ja er solle nun halt zur Sekretärin gehen und das ins Reine tippen lassen. Oh – das hörte sich gut an – ich hatte mir schon Gedanken gemacht, wie wohl meine Versicherung diese Schrift entziffern sollte. Also zur Sekretärin in Raum 59 – sie suchte sich routiniert aus den Blätter alle wichtigen Informationen zusammen und hatte innerhalb von 15 Minuten einen Report getippt, von mir Korrektur lesen lassen und ausgedruckt. Jetzt nur noch eine Unterschrift vom Boss und die Odyssee würde ihr Ende und ich meinen Polizeibericht haben. Der Boss hatte sich allerdings auf unbestimmte Zeit in die Mittagspause verabschiedet – komm doch bitte am Montag wieder!
Tag 4 - Ich kam also wieder – musste ja nur den fertigen Bericht abholen. Dass es nicht in 5 Minuten getan sein würde war mir schon klar, aber dass ich erneut 1,5 Stunden auf dem Polizeirevier verbringen musste – damit hatte ich nicht gerechnet.
Ich kam optimistisch in Raum 26 an. Mein zuständiger Beamter war natürlich nicht anwesend. „Call him!“ - der Ratschlag seiner Kollegin. (Seine Privatnummer an Kunden/Klienten/Patienten heraus zu geben ist hier sehr üblich.) Ich rief ihn also an, konnte ihm irgendwann begreiflich machen, wer ich sei und er erklärte mir, er sei gerade nicht im Büro. Ja. Danke. Das sehe ich. Ich möchte bitte nur meinen Bericht abholen. Würde auf dem Schreibtisch liegen – ein Kollege soll mir den einfach geben. Aufgelegt. Habe die Anweisung also an seine Kollegin weiter gegeben. Die wollte nicht suchen: „Call him!“. Ja und dann? Können Sie vielleicht mit ihm reden? Konnte sie, vertelefonierte mein ganzes Guthaben und das Ende vom Lied war, dass er gefälligst ins Büro (Raum 26) zu kommen hatte. Also hieß es warten. Und dann kam er, suchte und … fand nichts. Hm – dann muss der wohl noch oben beim „Boss“ sein – du kannst dir den Bericht da abholen. Ich also hoch in Raum 41. Hallo ich würde gern meinen Bericht abholen. Kurze Musterung, Kramen auf seinem Schreibtisch und dann hielt er doch tatsächlich meinen Bericht in den Händen. Juhuu! Aber oh-oh – sein Gesichtsausdruck gefiel mir gar nicht. „Wer hat dich hier her geschickt?“ Ehm.. der Beamte aus Raum 26?! „You bring him here!“ Okay – ich also wieder runter in die 26, meinem Beamten erklärt, dass der Boss ihn gern auch oben hätte, mit ihm zusammen wieder nach oben. Es stellte sich heraus, dass dem Boss die Währung Euro nicht so geläufig war. Das konnte also schnell bereinigt werden (mein Beamter war allerdings sichtlich genervt, dass er dafür (!) zwei Treppen steigen musste), der Boss unterschrieb endlich (ich dachte ja in meinem jugendlichen Leichtsinn, das wäre Freitag schon geschehen), mein Beamter musste sich noch irgendwo einen offiziellen Stempel suchen, ich wartete derweil wieder unten in Raum 26 und dann endlich öffnete sich die Tür und mein wertvolles, allerdings bereits jetzt schon ein wenig lädiert aussehendes A4-Blatt wurde mir ausgehändigt. Ich bedankte und verabschiedete mich, was gekonnt ignoriert wurde (erwartete er ein Trinkgeld?) und verließ endlich auf vorerst immer das Polizeipräsidium.

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