Freitag, 26. September 2014

Woche Zwei und Drei

Meine zweite Woche in Uganda verlief von außen betrachtet recht unspäktakulär, für mich persönlich jedoch weiterhin aufregend, denn der Alltag hier ist schon sehr, sehr, sehr viel anders als in Deutschland. Das fängt beim Zähneputzen und Duschen früh ohne fließendes, dafür mit sehr kaltem Wasser an, geht mit dem ungewöhnten Klima/Lärm/Dreck/“Geruch“ weiter und hört damit auf, dass man niemals sein Moskitospray zu Hause lassen sollte, weil es ja dann doch schon 18:45 dunkel und somit Moskitozeit wird..

6:30 Aufstehen, ein „abwechslungsreiches“ Frühstück zu mir nehmen (Toast, Margarine, Banane/Passionsfrucht/Orange, Instant Kaffee - man gewöhnt sich ja an alles, auch an schwarzen Instantkaffee), mit meinem Waschschüsselchen zum Duschplatz wandern und spätestens 8:00 an der Hauptstraße stehen, um zu beten, dass nicht erst in zwanzig Minuten ein freies Matatu an mir vorbeifährt und dass dieses dann bitte auch zu meiner Haltestelle weiterfährt.
Montag (22.09.) stand ich dann nämlich plötzlich mitten in der überfüllten Hauptstadt. Irgendwo. Mit all meinen Wertsachen (muss momentan meinen privaten Laptop mit zur Arbeit nehmen), womit ich niemals nach Kampala fahren würde. Blick auf die Uhr: schon nach Neun. Keinen blassen Schimmer wie ich von dort aus zum Lubaga Hospital kommen soll und wie lange ich jetzt noch einmal fahre. Von allen Seiten die altbekannten „Hey Muzungu“, “Boda Nnjabo?“, „Do you have a boyfriend?” Rufe und mehrere Menschen, die mich einfach gern mal berühren möchten. Nicht der beste Montagmorgen, den ich mir vorstellen kann. Die Situation hat mich schon ein wenig aus der Bahn geworfen - auch drei Wochen nach meiner Ankunft bin ich hier einfach immer noch dabei anzukommen. Aus Mangel an Alternativen bin ich dann einfach mal losgelaufen und war sehr erleichtert als nach nur ein paar Straßenecken der Taxipark auftauchte. Dort ist dann alles ganz einfach. Irgendein Conductor (der, der in den Matatus für das Bezahlen und Fahrgästesortieren zuständig ist // sitzt immer links an der Tür) fragt auf jeden Fall „Where are you going?“ und dann braucht man nur noch seinen Zielort sagen und er zeigt einem, wo die Matatus dorthin parken. Bin also dann doch noch unbeschadet und nur ein bisschen zu spät (hier ist eigentlich fast alles noch „in time“) auf Arbeit angekommen.

ein Matatu - die Taxis/Busse hier in Uganda

im Matatu - 12 Sitzplätze hinten + 2 vorn neben dem Fahrer aber meist fahren knapp 20 Personen mit

Normalerweise bin ich aber nach 1 Mal Umsteigen, je nach Verkehrsaufkommen, zwischen 8:45 und 9.30 im Krankenhaus. Krankenhaus bedeutet für mich momentan Verwaltungstrakt. Kranke sehe ich keine, dafür den ganzen Tag mein Laptopdisplay: jede Menge Exeltabellen, E-Mails und Protokolle von Besprechungen.
mein Arbeitsplatz - von Innen und Außen

Das ist momentan in Ordnung, aber ich hoffe schon, dass ich auch mal einen Einblick in den medizinischen Krankenhausalltag bekomme – Elena, die Freiwillige, die auch hier im Lubaga Hospital arbeiten wird (sie landet am 1.10. in Uganda), ist ja bereits eine ausgebildete Krankenschwester und vielleicht kann ich ja dann mal mit ihr mitlaufen. Meine Arbeitszeit ist jetzt nicht minütlich geplant aber ich bin immer ungefähr von 9:00 bis 16:00 im Büro. Davon ist eine Stunde Mittagspause, die ich dazu nutze, z.B. meinen Blog zu schreiben, E-Mails zu beantworten und etwas Kleines zu essen, was ich mir mitgebracht habe. Obst/Möhren/Bananenbrot/Nüsse.. leider gibt es hier weder Brot noch Brotaufstrich (kein Käse, Wurst, Butter, Tomatenmark, Meerrettich..), so dass unser deutschen Pausenbrot leider flachfällt – hätte nicht gedacht, dass ich gerade das so vermissen werde.

Blick von der Dachterasse des Krankenhauses über das Gelände und im Hintergrund Kampala

Anne, meine Kollegin im Büro für Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit, ist dann am Dienstag mal mit mir durch das Krankenhaus gelaufen und ich habe mich in den einzelnen Abteilungen vorgestellt und so auch einen Einblick in die Ausstattung bekommen. Die Räume an sich sind ein wenig spartanischer als wir es in Deutschland gewohnt sind aber die Geräte könnten zum Teil 1:1 auch in einem Krankenhaus zu Hause stehen. Der hohe Standart ist, soweit ich es bisher mitbekommen habe, vor allem dem Faktor geschuldet, dass es viele Unterstützer in Deutschland und von der katholischen Kirche gibt. Trotzdem werden über 90% des Budgets in Uganda generiert – dabei ist das Krankenhaus auf den Staat und Sponsoren angewiesen, um die Qualität stetig zu verbessern und auch Arme behandeln zu können (in Uganda gibt es nicht das Prinzip der Krankenversicherung – jeder muss für alle Behandlungen zahlen). Das Lubaga Hospital läuft als private, non-for-profit Organisation und hat die Mission, getreu den christlichen Werten, jedem Menschen, ungeachtet seiner finanziellen Mittel, adäquate Gesundheitsversorgung zukommen zu lassen: Entbindungs- und Neugeborenenstation, Gynäkologie, Chirurgie, Kindermedizin, Allgemeinmedizin, Physiotherapie, eine pharmazeutische Abteilung und ein Labor, angegliederte Augenklinik, Zahnklinik, HNO-Klinik. Zur Diagnose stehen dabei unter anderem Ultraschall- und Röntengeräte und Endoskope zur Verfügung. Jährlich werden mehr als 200.000 Patienten behandelt und mehr als 6.000 Kinder hier geboren. Man kann hier auch seine Ausbildung zur Krankenschwester, Hebamme, zum Laborassistenten und zum Operationsassistenten absolvieren. Der Geschäftsführer ist ein Deutscher Arzt: Dr. Adolf Diefenhardt. Er ist 2012 mit seiner Familie (erneut) nach Uganda gezogen und jetzt z.B. auch für mich mitverantwortlich. Nicht ganz schlecht, hier jemanden auf Arbeit zu haben, der 1. Die eigene Sprache spricht und 2. Mit den Gepflogenheiten in Deutschland vertraut ist und mich versteht, dass ich ein wenig unruhig werde, wenn das Meeting, das auf 14:oo angesetzt war, 15:30 immer noch nicht angefangen hat. Er hat auch organisiert, dass ich unter der Woche jeder Zeit in das Gästehaus hier gehen kann, um zu duschen. Das ist wirklich richtig gut – klar es ist auch einfach nur ein Duschkopf oben an der Decke, aus dem mit mal mehr, mal weniger Druck, kaltes (da Regen-)Wasser fließt, aber im Vergleich zu „ich schöpfe mir kaltes Wasser aus einem kleinen Plastikeimer über“ regelrechter Luxus. An die eiskalten Duschen habe ich mich im Übrigen unerwarteterweise sehr schnell gewöhnt, da bereiten mir andere Dinge, die ich als easy eingestuft hatte, mehr Probleme.

Freitag (19.09.): Marktbesuch mit Gastschwester Rose. Ausbeute: ein für mich geschneidertes Kleid, Obst und zwei Second Hand Röcke für insgesamt ca. 11€. Langsam klappt das mit dem Handeln.

Samstag (20.09.): Vormittags Besuch einer MALL – ziemlich gut – ziemlich europäisch. Die Muzungu-Rate hier war auch unglaublich hoch und das Einkaufzentrum insgesamt ziemlich leer – der Durchschnittsbürger kann sich so etwas nicht leisten. Hier gibt es richtigen Kaffee, richtigen Kuchen, Eis, Burger, Pizza, Nudeln – ja, auch wenn man da zu Hause nicht so wild drauf war, ist so etwas, wenn man wochenlang Kochbananen, Reis oder Maismehlmatsche gegessen hat ein Traum. Der Cheeseburger, den ich mir aufgrund des Käses bestellt habe (ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich Käse – wird nur importiert, sehr rar und fruchtbar teuer- und Milchprodukte insgesamt – wir haben keinen Kühlschrank in der Gastfamilie also fällt auch Milch und Joghurt meist flach – vermisse..) war allerdings nicht so lecker – der Käse irgendetwas analoges. Anschließend an unseren kurzen Konsumrausch sind dann ich und ein paar andere Freiwillige auf ein Festival im Nelson Mandela Stadion gefahren: „die besten aktuellen, ugandischen Künstler, Reaggea und Shaggy“, Tausende von Besuchern, Beginn 5 Stunden später..

Sonntag (21.09.): Die Tochter des Bruders unseres Gastbruders/-neffen (er ist der Neffe meines Gastvaters) Godfried wird getauft. Sarah und Ich sind mit eingeladen und so sind wir 10:00 bereit zur Abfahrt - 11:30 setzt sich dann das Familienauto in Bewegung. Von über drei Stunden Gottesdienst auf Luganda bekommen wir so nur noch knapp eine mit – ganz so traurig bin ich da nicht.
in der Kirche - ganz rechts: mein Gastvater
Danach fahren wir mit der ganzen Familie zum Elternhaus: Musik, Massen an Essen (natürlich wieder das lokale – Kochbananen, Reis.. ihr wisst schon), Reden und Taufgeschenkeübergabe.

die Familie des Taufkindes - die Familie meines Gastbruder-cousin-neffens


ein "kleines" Mittagessen


im weißen Kleid: das Taufkind (1Jahr)

Highlight des Tages: Sarah und Ich müssen „shaken“. Tanzt mal unvorbereitet vor 40 Ugandern, von denen selbst die 2jährigen und die 70jährigen besser tanzen können als ihr. Gegen halb acht war dann die Feierlichkeit vorbei und die kleine Benita und ich sind beide ziemlich fertig auf der Rückbank eingeschlafen - schlafen geht hier in sämtlichen Verkehrsmitteln wirklich (viel zu) gut - ein angenehmes, durchgehendes, von den tendenziell unebenen Straßen verursachtes Schaukeln. Muss mich auf meinem Weg zur Arbeit immer mit sehr viel Willenskraft wachhalten.

Woche Drei verlief nun grundsätzlich wie die davor nur dass ich seit dem 23.09. nun zwölf Wochen lang immer dienstags und donnerstags am Abend einen Luganda-Sprachkurs im Goethe-Institut besuchen werde. Die ersten beiden Stunden waren nun so mäßig erfolgreich. Die Worte sehen für mich immer noch alle gleich aus und eine Struktur konnte ich in der Sprache auch noch nicht erkennen. Aber ich bleibe dran, schon um irgendwann auf den Märkten den gleichen Preis, wie die Ugander zahlen zu können.

Am Donnerstag hat Benita, die Tochter meiner Gastschwester/-Nichte Rose, ihren 3. Geburtstag gefeiert. Das heißt, eigentlich feiert man hier Geburtstage nicht wirklich, aber es gab lokale Pancakes (Bananen, Kasavamehl und Backpulver), einen kleinen Kuchen, einen Geburstagshut, Seifenblasen von mir und Haribo von Sarah und gesungen wurde auch.
Ich mit dem Geburtstagskind Benita und ihrer Mama Rose im Wohnzimmer


Kleines Update zu meinem Befinden allgemein:
ich merke inzwischen die Nebenwirkungen der Malariaprophylaxe (denke ich – bin ja kein Arzt): Albträume und kleine Panickanfälle – muss mir momentan darüber klar werden, ob ich die Tabletten nicht doch jetzt schon absetze – ein Jahr darf ich die sowieso nicht nehmen.
Donnerstag hieß es dann Good bye Braids – habe gefühlt die Hälfte meiner Haare beim Entfernen der Zöpfe mit verloren und muss nun versuchen, einen Frisör zu finden, der dazu in der Lage ist, europäisches Haar zu schneiden.
Benita, das Kunsthaar und ich mit meiner Braids-Removed-Frisur

Mit der Gastfamilie ist es ein angenehmes Zusammenleben – jeder macht so seines, aber wenn man Gesellschaft oder Hilfe braucht ist immer jemand da.

Zu guter Letzt ein Dank an euch alle, die ihr meinen Blog verfolgt, mir Rückmeldungen gebt oder mich darum bittet doch mal wieder etwas zu schreiben. Zu wissen, dass ihr alle an mich denkt, stärkt mich hier in Heimweh- und Kulturschockmomenten ungemein. DANKE! Bitte schreibt mir, wenn ihr gern über ein Thema mehr erfahren wollt oder ihr etwas hier bisher noch vollkommen vermisst – auch über jegliche andere Anregungen freue ich mich.



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